Beruf: Unfallanalytiker

Die Unfallrekonstruktion ist ein hochspezialisiertes Fachgebiet. In ganz Deutschland beschäftigen sich weniger als 500 Personen hauptberuflich mit Unfallrekonstruktion. Daneben gibt es einen deutlich größeren Kreis von sporadisch an diesem Fachgebiet Interessierten.

Aufgabe

Die Aufgabe des technischen Sachverständigen besteht darin, seine Spezialkenntnisse auf technischem Gebiet bei der rechtlichen Bewertung von Unfällen zur Verfügung zu stellen. Dabei kann es sich einerseits um Auskunft zu fachlichen Fragen handeln, in denen der Sachverständige die derzeit vorherrschende Lehrmeinung wiedergibt. Andererseits kann der Sachverständige sein technisches Wissen dazu verwenden, die ersichtlichen Tatsachen mittels physikalischer Gesetzmäßigkeiten zu verknüpfen und daraus Schlüsse zu ziehen.

Da sämtliche übrigen Verfahrensbeteiligten in der Regel technische Laien sind, ist es besonders wichtig, daß der Sachverständige die Zusammenhänge bzw. seine Schlußfolgerungen auch dem Laien verständlichen darzustellen vermag.

Auftraggeber

Als Auftraggeber kommen Zivilgerichte, Staatsanwaltschaften, Rechtsanwälte und Versicherungen in Betracht. Die direkte Beauftragung durch einen der Unfallbeteiligten ist eher selten; Laufkundschaft ist in dieser Branche nicht üblich. Von welchem der potentiellen Auftraggeber die meisten Aufträge stammen, wird durch das eigene Engagement in Grenzen mitbestimmt.

Arbeitsinhalte

Gutachten werden in aller Regel schriftlich abgefaßt. Bei zivilrechtlichen Auseinandersetzungen wird das schriftliche Gutachten dann zu den Akten genommen und sein Inhalt als den Parteien bekannt vorausgesetzt. Die mündliche Erläuterung des Gutachtens vor Gericht ist dann der Ausnahmefall. Bei Strafverfahren kann der Inhalt des Gutachtens nicht einfach als bekannt vorausgesetzt und zur Beweiswürdigung hinzugezogen werden. Im Strafverfahren zählen nur diejenigen Tatsachen, die in der Verhandlung mündlich vorgetragen wurden. Insofern wird der Sachverständige sein zunächst schriftlich erstattetes Gutachten in der Verhandlung repetieren müssen.

Unfallrekonstruktion ist in erster Linie eine Schreibtischtätigkeit. Die meisten Gutachten werden nach Aktenlage erstellt. Unfalleinsätze sind eher selten, sofern man nicht ausgesprochen viele Aufträge für die Staatsanwaltschaft bearbeitet. Auch der Auftritt vor Gericht ist, sofern man sein Haupttätigkeitsfeld im zivilen Bereich hat, eher selten.

Öffentliche Bestellung

Der Sachverständige ist in Deutschland in aller Regel freiberuflich tätig, denn nur so ist die vom Gesetzgeber geforderte Unabhängigkeit gewährleistet. Die Bezeichnung “Sachverständiger” ist kein geschützter Titel; jeder darf sich als Sachverständiger bezeichnen. Um fachlich besonders versierte Sachverständige auszuzeichnen, besteht die Möglichkeit der öffentlichen Bestellung und Vereidigung als Sachverständige für Straßenverkehrsunfälle.

Diese öffentliche Bestellung und Vereidigung wird durch die Industrie- und Handelskammer desjenigen Ortes, in dem der Sachverständige seinen Hauptwohnsitz hat, durchgeführt. Dabei wird die besondere Fachkenntnis des Sachverständigen einer schriftlichen und mündlichen Prüfung unterzogen. Die fachlichen Bestellungsvoraussetzungen, auf die sich die Industrie- und Handelskammern im deutschen Industrie- und Handelstag geeinigt haben, nennen ein technisches Hochschulstudium (Maschinenwesen, Bauingenieurwesen, Fahrzeugwesen, Verkehrstechnik oder Physik) eine praktische Tätigkeit von mindestens zwei Jahren als Sachverständiger für Unfallrekonstruktion oder in verwandten Sachgebieten juristische Grundkenntnisse, insbesondere im Straßenverkehrsrecht, im Bürgerlichen Gesetzbuch, sowie in der Straf- und Zivilprozeßordnung.

Das System des freiberuflichen Sachverständigen und insbesondere die öffentliche Bestellung und Vereidigung ist spezifisch für Deutschland. In keinem anderen europäischen Land gibt es ein vergleichbares System. Um die Freiheit der Berufsausführung innerhalb der EU zu gewährleisten, können sich auch Ausländer öffentlich bestellen und vereidigen lassen.

Zertifizierung

Neben der öffentlichen Bestellung und Vereidigung besteht mittlerweile die Möglichkeit, sich als Sachverständiger zertifizieren zu lassen. Inwieweit die Möglichkeit der Zertifizierung die öffentliche Bestellung und Vereidigung durch die Industrie- und Handelskammern ablöst, wird die Zukunft zeigen.

Ausbildungsmöglichkeiten

Eine spezielle Ausbildung zum Unfallanalytiker bzw. “Verkehrsunfall-Ingenieur” existiert nicht. Das notwendige Wissen wird in aller Regel durch die Anstellung in einem Sachverständigenbüro erworben. Weitere Möglichkeiten zum Erwerb dieser Kenntnisse bieten Volontariate, Praktika (Praxissemester) sowie der Besuch spezieller Seminare, die mittlerweile zahlreich angeboten werden.

Selbständigkeit

Jedem, der sich für den Beruf des Unfallanalytikers interessiert, muß von der sofortigen Selbständigkeit abgeraten werden. In der Regel muß man sich bei dem Aufbau eines eigenen Berufs auf eine lange Anlaufphase gefaßt machen.

Zu berücksichtigen ist auch, daß die Bedeutung der öffentlichen Bestellung und Vereidigung innerhalb Deutschlands sehr verschieden eingestuft wird. Während in einigen Gebieten die öffentliche Bestellung Voraussetzung für die Beauftragung durch Gerichte ist, gelingt es andernorts, die Verfahrensbeteiligten auch so von der jeweiligen Sachkenntnis zu überzeugen. Und nicht zuletzt sollte berücksichtigt werden, daß die “Sachverständigen-Dichte” in Deutschland stark variiert. Vor der Wahl des Niederlassungsortes sollte man also überprüfen, ob in diesem Bereich überhaupt noch Bedarf besteht.